Warum Service-Prozesse in der Industrie 4.0 so wichtig sind

Smart Factory, digitalisierte Produkte und Losgrösse 1. Alles Schlagwörter der Industrie 4.0. Im Kern geht es darum, die (zukünftigen) Kundenbedürfnisse besser und effizienter abdecken zu können. Deshalb werden auch die Service-Prozesse in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen.

Nicht erst seit dem Hype rund um die Industrie 4.0 setzen Industriefirmen vermehrt auf Service. Oftmals steckt dahinter die Absicht, die wegfallenden Margen aus der Produktion kompensieren zu können. Die offizielle Definition der Initiative Industrie 2025 von SwissMEM zeigt aber auch, weshalb die Service-Prozesse in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen werden: "Die Digitalisierung und Vernetzung entlang der Wertschöpfungsketten mit dem Ziel der Optimierung von Organisation und Steuerung der Prozesse".

Herausforderung: Umgang mit den neuen Daten

Im Idealzustand senden vernetzte, digitalisierte Produkte laufend Daten zu ihrem Zustand. Deren Auswertung bildet bei fortschrittlichen Unternehmen oftmals heute schon Basis für die Optimierung von Reperatur- und Wartungsarbeiten. Der Service kann so zum optimalen Zeitpunkt durchgeführt werden und nicht nur dann, wenn es laut Zyklus fällig wäre - und es entweder zu früh oder zu spät ist für eine Wartung. Zudem können Service-Routen und Ersatzteilmanagement optimiert werden. So viel zur Vision. Diese Predictive Maintenance, aber auch die grössere Varietät bei den Produkten (Stichwort Losgrösse 1) erhöhen die Service-Komplexität allerdings deutlich. Trotz wiederverwendbarer Komponenten ist im "Idealzustand Losgrösse 1" jede Maschine und jedes Gerät anders. Kommt hinzu, dass digitalisierte Produkte/Maschinen, die laufend Informationen senden, eine enorme Datenflut verursachen. Es ist daher essentiell, dass einerseits die Maschinendaten auch tatsächlich ausgewertet werden können und andererseits Service-Techniker auf dem Feld jeweils alle nötigen Informationen zu dieser spezifischen Maschine abrufen können. Dies stellt neue Anforderungen an die eingesetzten Technologien (mobile Service-Software, Datenhaltung und -übermittlung, etc.) aber vor allem auch an die Geschäftsmodelle. Es nützt nichts, wenn neue Produkte mit umfangreicher Sensorik ausgestattet und Maschinendaten erfasst und gesendet werden, wenn der Service diese nicht entsprechend zu nutzen und im Geschäftsmodell abzubilden weiss. Somit sollte gut geprüft werden, welche Technologien auch tatsächlich eingesetzt werden sollen und ob die Prozesse und das Geschäftsmodell dazu bereit sind.

Chance: Kundenkontakt und -knowhow

Die vertiefte Integration des Kunden und vernetzte Produkte eröffnen aber auch grosse Chancen. Der Kampf um Wertschöpfungsanteile ist schlussendlich ein Kampf um die Kundenschnittstelle, wie das Beispiel der Musikindustrie zeigt. Gelingt es also, die Wertschöpfungstiefe dank intelligenten Services (sogenannten Smart Services) auf Basis von neuen Technologien zu erhöhen und diese mit dem in den Firmen bereits bestehenden Produkt-Know-how zu verknüpfen, stehen die Chancen gut, auch in Zukunft einen relevanten Anteil am Kuchen zu halten. Dies hilft auch, sich gegen disruptive Technologien zu behaupten, da diesen oftmals sowohl Branchenknow-how als auch der Kundenstamm fehlen - zumindest zu Beginn. Hierfür braucht es allerdings noch ein starkes Umdenken, gerade bei industriellen KMU. Diese definieren sich oftmals noch über ihr Produkt, statt den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Das Service-Geschäft wird in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen, da es einerseits Know-how über den Kunden liefert, womit sich diese wiederum besser bedienen lassen. Andererseits aber auch überhaupt die Schnittstelle und den Kontakt zum Kunden hält.

Fazit: Mit gezielten Schritten dem Wandel entgegen

Von all den Begriffen rund um Industrie 4.0 sollte man sich nicht einschüchtern lassen. Die wenigsten Firmen haben die hochtrabenden Visionen bereits umgesetzt. Insbesondere als KMU eröffnet das die Chance, mit einfachen und gezielten Massnahmen zum Vorreiter zu werden. Wir haben dabei folgende Schritte identifiziert, um zu Smart Services zu gelangen:

  1. IST-Aufnahme bei den (Service-)Prozessen Eine Übersicht über die eigenen Prozesse bildet die Grundlage für jede Optimierung. Es gilt zu hinterfragen, wo diese optimiert oder mit Technologie automatisiert werden können. Insbesondere geht es darum, Medienbrüche und Schnittstellenprobleme aufzudecken, da dort oftmals das grösste Potenzial zur Optimierung liegt
  2. (Service-)Geschäftsmodellvision Um überhaupt zu wissen, welche Daten erfasst werden oder in welche Richtung das Produkt digitalisiert werden soll, muss zuerst darüber nachgedacht werden, wie denn der ideale Service (oder auch das Produkt an sich) für den Kunden überhaupt aussieht. Daraus lässt sich eine Roadmap mit realistischen Schritten ableiten.
  3. Technologische Hilftsmittel bestimmen Im Zusammenhang mit oben genannter Roadmap und den abgebildeten Prozessen sollen die passenden Technologien verknüpft werden. Nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch sinnvoll - sei es, weil die Technologie noch nicht reif ist, oder aber die Kunden noch nicht so weit sind. Dabei soll auch immer die bestehende Infrastruktur berücksichtigt werden, schliesslich geht es nicht darum, alles über den Haufen zu werfen.

Will man von der Konkurrenz nicht abgehängt werden, sind Investitionen in diese Schritte unabdingbar. Dabei ist wichtig, dass man sich entsprechendes Know-how ins Haus holt, also entweder interne Stellen schafft oder durch einen externen Partner.

Wo sehen Sie sich auf dem Weg zur Industrie 4.0? Haben Sie Ihre Prozesse aufgenommen und eine klare Vision? Oder ist Industrie 4.0 und der Einstieg dazu ein Buch mit sieben Siegeln? Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Bedenken.

Artikel teilen

Über den Autor